Delia
Ein Mädchen das wohl kaum zu beschreiben ist. Verrückt? Nein!!!
Delia ist eben Delia und heute denke ich an sie, weil sie sich in meine Gedanken schlich. Ich frage mich was aus ihr geworden ist?
Ich lernte sie während eines Praktikum kennen. Ich war ein niemand in diesem Mädchenwohnheim, ich betrat dieses Haus, weil ich zurück ins Leben finden wollte.
Ein Praktikum auf Zeit, dass mich ein Stück weit mit auf die Reise nahm....Eine Reise, auf der sich die Türen hinter Dir verschließen und sich neue Türe öffnen...
Delia schlich die ersten Tage skeptisch um mich herum. Während sich die anderen Mädchen sichtlich freuten eine neue Praktikantin auf die Probe zu stellen, stand sie immer Abseits und sah mich an...sie sah mich an...und schaute mir zu!
Sie war wie ein Schatten in dem Großen Haus, der immer in meiner nähe war.
War dies Delias Art meine nähe zu suchen? War dies ihr Weg in Kontakt mit mir treten zu wollen?
Mehr als flüchtige Blicke ließ sie nicht zu...ein kleines schnelles Lächeln, wenn ich sie entdeckte. Delia schaute immer sehr eigen....ihren Blick kann man schlecht beschreiben. Eiskalt und doch Herzlich...unnahbar und doch auf der Suche nach Nähe...tiefe dunkle Augen die für sich selbst sprachen. Wenn man sie nur " Sehen" durfte.
Eines Tages kurz vor Feierabend....drang eine liebliche Melodie in mein Ohr. Jemand spielte Klavier. Vorsichtig ging ich dem Klang nach und öffnete die Türe zum Klavierzimmer...dort sass Delia. Sie lächelte mich an, als hätte sie genau gewusst, dass ich vorbei schauen würde.
Sie klopfte neben sich auf den Hocker und ich nahm neben ihr Platz.
Mit geschlossenen Augen spielte sie weiter.
Ton für Ton.
Auch ich schloss meine Augen und ließ mich einfach in ihre Melodie fallen.
" ist dies die Melodie einer anderen Welt?" fragte Lelia leise und vorsichtig und spielte mit geschlossenen Augen weiter.
Ich sah sie an und sah wie sie weinte. So traf mich dieses unbeschreibliche Gefühl, der Plötzlichen Kälte die eine leichte Briese Wärme in sich trug.
Dies war meine erste wirkliche Begegnung mit Delia, in der sie mir Ihre Türe zu ihrer Welt öffnete.
Ja Delia war wahrhaftig in ihrer Welt.
Sie hatte eigene Denkprozesse. Sie hatte eigene Vorstellungen davon, wie etwas in ihrer Welt sein muss, damit sie sicher und geborgen fühlte.
Sie hielt sich streng an Rituale, die sich selbst gesetzt hatte.
Schon als 5 Jährige Konnte sie Lesen und Schreiben, sie brachte es sich aus einer Langeweile heraus selbst bei, wie sie sagte und wie sie ihrer Therapeutin erklärte.
Ihre Liebe für das Klavier spielen, stellte sie auch ganz plötzlich fest. Sie lernte es innerhalb eines Monats und durfte von Zeit an, im Schauspielhaus spielen.
Sie liebte die Schauspielerei und liebte es sich in Menschen und Personen hinein zu versetzen.
Na? welche Gedanken gehen dir gerade durch den Kopf, während du diese Beschreibung ließt? Autist? oder Schizophren?
Delia ist Autistin.
Und ich fühlte mich geehrt dass sie mir ihre Türe öffnete.
Sie hatte nie einen Pädagogen in ihr Zimmer gelassen. Sie sagte immer, dass die Anwesenheit der anderen Menschen ihre Ordnung in ihrer Welt zerstören würde.
Doch mich zog sie an den Händen und riss mich Quasi in ihr Zimmer.
Sie fragte nicht danach, ob ich es möchte...nein sie tat es einfach.
Allerdings musste ich an der Türe stehen bleiben und durfte nichts anfassen und auch nichts zu lange anschauen. Also entschied ich mich, Delia anzuschauen, wie sie mir lächelnd ihr Zimmer zeigte und sagte " ich kann heute das zweite unbenutzte Bett nicht hier aus dem Zimmer lassen. Das geht nicht, dass hätten sie mir früher sagen müssen, dass sie das Bett brauchen. Ich kann mich da jetzt nicht von frei machen, siehst du?" sie zeigte auf das Bett.
Für die Pädagogen war Delia unverschämt und das Bett war ein Bett das gebraucht wurde. Für Delia war es aber mehr als ein Bett.
" es steht seit meinem ersten Tag hier in diesem Zimmer."
Ja ohne dieses zweite Bett würde das Zimmer viel größer ausschauen. Ohne dieses Bett hätte sie etwas aus ihrer Welt verloren. Denn es stand, seitdem ersten Tag in ihrem Zimmer. Eine wilde Diskussion brach aus.
Die Pädagogen kamen mit Hilfe eines Schlüssels in ihr Reich und nahmen ihr das Bett fort. Sie brüllte mich an, dass ich etwas tun soll. Sie schmiss sich auf das Bett, kratze und spuckte und krallte sich an dem Bett feste als es den Weg aus ihrem Zimmer fand.
Zurück blieb ein Zimmer, das völlig neu ausschaute und eine ziemlich verwirrte Delia die zusammen gekauert in der Ecke hinter einem Vorhang kauerte und immer wieder sagte " Das sie hier so nicht leben kann"
Sie erhielt für ihre Art zu handeln, Hausarrest und Telefon Verbot.
Ich setzte mich zu ihr und schaute sie an.
Sie schaute mich zwar an, aber sie schaute vielmehr ins Leere.
Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre...
" Ja, du hast Recht. Ich glaube dir" dann stand ich auf und ging.
Ich habe noch lange darüber nachgedacht, über diesen Tag.
Delia wollte nichts mehr essen, sie ging nicht mehr zur Schule. Sie hatte sich eingeschlossen.
Ich kam auf die Idee, ihr ein Sofa anzubieten, dass wir auf den Platz des Bettes stellen könnten, aber es war für sie nicht das gleiche.
Sie trauerte um dieses Bett und sagte immer wieder, dass dieses Bett schon immer da gestanden hätte, das könnte man ihr nicht einfach nehmen.
Oftmals steckt hinter einem "merkwürdigen" Verhalten, etwas völlig anderes als das was wir erwarten würden. Für andere ist es ein Bett...doch war bedeutet dieses Bett für Delia?
Sicherheit!!!
Jetzt wurde ihr die Sicherheit genommen. Und all gut zureden, dass Zeit für etwas neues gekommen sei...lehnte sie ab. Auch ein anderes Bett lehnte sie ab...das Angebot shoppen zu gehen, damit sich ein neues Zimmer herrichten konnte, lehnte sie ab....
Das einzige was Delia sagte war " gebt mir das Bett zurück"
Sie beharrte darauf dieses Bett wieder zu bekommen. Sie bekam es zurück und damit sichtlich ihr Gefühl der Sicherheit.
Denn sie spielte wieder Klavier
Sie sagte, dass niemand sie verstehen würde aber so wäre es eben in ihrer Welt und niemand hätte das Recht, sich ein anderes Leben einzumischen.
Dieses Bett, war für Delia ein Teil ihrer Welt, die sie sich mit dem ersten Tag im Mädchenwohnheim geschaffen hatte.
Oh ja, so war und ist Delia....aber sie war glücklich in ihrer Welt, solange man ihre Wünsche und ihre Art zu denken, berücksichtigte!!!
Lia
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Weisst Du, dass mir jetzt kalt ist? Du beschreibst mit diesem Erlebnis auch unseren Robert. Mir wird ganz klar, was wir da schon alles "falsch" gemacht haben, weil wir es nicht anders wußten. Diese andere Welt ist nicht einfach zu verstehen für uns Andere.
AntwortenLöschenRobert ist ja erst 9 Jahre. Er wurde aber auch schon des öfteren als "unverschämt" von Anderen bezeichnet.
Deine Schilderung hat mir jetzt Gegenargumente in die Hand gegeben. Danke!
Elisabeth
Boah Schatz....
AntwortenLöschenIch sitze gerade hier und muss heulen. Einfach, weil manche Menschen sich einfach so einmischen wollen, etwas vermeintlich gutes wollen und im Grunde ganz viel zerstören und eine eh schon gebrochene Seele ankratzen